5 Eckpfeiler über Deeper Learning, die Sie kennen sollten
von Marcus Kuhn
Deeper Learning ist ein innovativer pädagogischer Ansatz, der darauf abzielt, tiefgehendes Wissen und relevante Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert zu fördern. Hier sind fünf wichtige Fakten über Deeper Learning, die Sie unbedingt kennen sollten:
1. Wissensarchitektur von Deeper Learning
Die Wissensarchitektur von Deeper Learning basiert auf vier verschiedenen Wissensdimensionen: deklaratives, konzeptuelles, prozedurales und metakognitives Wissen.
Deklaratives Wissen umfasst Fakten und Details, während konzeptuelles Wissen Prinzipien und Modelle umfasst, die tiefere Zusammenhänge erklären. Prozedurales Wissen bezieht sich auf die Methoden und Prozesse, die erforderlich sind, um Aufgaben zu erledigen oder Probleme zu lösen. Metakognitives Wissen betrifft das strategische Handlungswissen, das den Lernprozess selbst steuert und optimiert.
Diese Wissensdimensionen helfen Lernenden, komplexe Inhalte besser zu verstehen und anzuwenden [1]. Eine gut durchdachte Wissensarchitektur fördert die Fähigkeit der Schüler:innen, verschiedene Arten von Wissen zu verknüpfen und in verschiedenen Kontexten anzuwenden. Dadurch werden nicht nur das oberflächliche Wissen, sondern auch ein tiefes Verständnis und die Fähigkeit, neues Wissen zu generieren, unterstützt [2].
Dies wird in der heutigen VUCA-Welt zwar keine hinreichende, aber dennoch notwendige Bedingung.
VUCA steht für:
- Volatility: Schnelle und unvorhersehbare Veränderungen
- Uncertainty: Unklarheit über zukünftige Ereignisse
- Complexity: Vielzahl und Verknüpfung verschiedener Elemente in einem System
- Ambiguity: Mehrdeutigkeit und unterschiedliche Interpretationen von Informationen
Die Wissensarchitektur von Deeper Learning ist in der VUCA-Welt entscheidend, da sie Lernende befähigt, fundiertes und flexibles Wissen zu erwerben, das notwendig ist, um sich in einem dynamischen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Umfeld erfolgreich zurechtzufinden und zu adaptieren. Solange Schule den Auftrag hat, Menschen auf das Leben vorzubereiten, muss diese Komponente mitgedacht werden und genau genommen ein inhärenter Teil der didaktischen Überlegungen sein.
2. Die 4K: Kooperation, Kreativität, Kritisches Denken und Kommunikation
Die 4K sind zentrale Kompetenzfelder des Deeper Learning und spielen eine entscheidende Rolle in der modernen Bildung.
- Kooperation fördert die Fähigkeit, effektiv in Teams zu arbeiten und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
- Kreativität ermutigt Schüler:innen, neue und innovative Ideen zu generieren und Probleme auf unkonventionelle Weise zu lösen.
- Kritisches Denken ermöglicht es den Lernenden, Informationen zu analysieren, zu bewerten und fundierte Entscheidungen zu treffen.
- Kommunikation umfasst die Fähigkeit, Gedanken klar und präzise auszudrücken, aber auch die Kommunikationsversuche andere Menschen richtig zu interpretieren [3].
Diese Kompetenzen sind essenziell für das 21. Jahrhundert, da sie nicht nur in akademischen Kontexten, sondern auch im Berufs- und Privatleben von großer Bedeutung sind. Die Entwicklung dieser Fähigkeiten hilft Schüler:innen, sich in einer zunehmend komplexen und vernetzten Welt zurechtzufinden und erfolgreich zu agieren.[4] [5] [6] Am Ende sind Fähigkeiten wie langes Stillsitzen oder Wissen auf Knopfdruck abzurufen immer weniger essentiell in der Arbeitswelt. Dafür werden aber Kompetenzen wie 4K, die es ermöglichen sich schnell neu zu orientieren, zunehmend bedeutsam.
3. Phasenmodell des Deeper Learning
Deeper Learning folgt einem dreiphasigen Modell: Instruktion und Aneignung, Ko-Konstruktion und Ko-Kreation sowie authentische Leistung. Damit entspricht es in seinen wesentlichen Grundzügen den Prinzipien des Kooperativen Lernens. Eine intensive Auseinandersetzung mit diesem – älteren, ebenfalls evidenzbasierten – didaktischen Konzept erscheint uns hier sehr lohnenswert.
- In der ersten Phase erwerben die Lernenden grundlegendes Wissen durch strukturierten Unterricht und Instruktion. Dies bildet die Basis für die nachfolgenden Phasen.
- In der zweiten Phase arbeiten die Schüler:innen kooperativ und kreativ an Aufgaben, die ihre Fähigkeiten zur Problemlösung und kritischen Analyse herausfordern.
- Die dritte Phase konzentriert sich auf die Präsentation und Anwendung des Gelernten in realen Kontexten, was zu einer authentischen Leistung führt.[7]
Dieses Phasenmodell ermöglicht es den Lernenden, Wissen nicht nur passiv zu konsumieren, sondern aktiv zu verarbeiten und anzuwenden. Es fördert tiefes Lernen durch kontinuierliche Reflexion und Anwendung, was zu einem besseren Verständnis und einer nachhaltigen Verankerung des Wissens führt. Die Lehrkräfte unterstützen diesen Prozess durch eine flexible Rolle, die Modellierung, Coaching und kontinuierliches Feedback umfasst, und nehmen durch eine konsequente Umsetzung zunehmend die Rolle der Lernbegleitung und -beratung ein.
4. Kooperative Professionalität
Im Sinne des Deeper Learning arbeiten Lehrkräfte eng zusammen, um den Unterricht zu planen und durchzuführen. Diese kooperative Professionalität soll den Austausch von Best Practices fördern und unterstützt die kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung. Durch die Zusammenarbeit können Lehrkräfte innovative Lehrmethoden entwickeln und implementieren, die auf die Bedürfnisse der Schüler:innen zugeschnitten sind [8]. Diese konsequente berufliche Weiterentwicklung ist in transformations-affinen Zeiten wie den heutigen unabdingbar – Prozess ist schließlich der neue Status Quo geworden. Kooperative Professionalität trägt auch zur Schaffung einer unterstützenden und kollaborativen Schulkultur bei, die sich positiv auf die Lernumgebung auswirkt. Lehrkräfte, die gemeinsam planen und unterrichten, können besser auf individuelle Lernbedürfnisse eingehen und eine kohärente und umfassende Bildungsstrategie entwickeln [9].
5. Hybride Lernumgebungen
Bestenfalls findet Deeper Learning in hybriden Lernumgebungen statt, die traditionelle Klassenzimmer mit außerschulischen und digitalen Lernorten kombinieren. Diese vielfältigen Lernumgebungen ermöglichen es den Schüler:innen, an ihren individuellen Projekten zu arbeiten und authentische Lernerfahrungen zu sammeln. [10] Hybride Lernumgebungen fördern nicht nur die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Lernenden, sondern auch ihre Fähigkeit, in verschiedenen Kontexten und mit verschiedenen Medien zu arbeiten. Schließlich geht es immer weniger um das „Lernen mit neuen Medien“, als vielmehr um das neue Lernen mit verschiedenen Medien. Vermutlich kann nur diese Art des Lernens die Schüler:innen auf die Herausforderungen und Möglichkeiten in einer Welt der Digitalität zufriedenstellend vorbereiten.
Fazit
Deeper Learning ist mehr als nur ein Bildungsansatz; es ist eine transformative Philosophie, die darauf abzielt, Schüler:innen auf eine selbstbestimmte und erfolgreiche Zukunft vorzubereiten, indem tiefgehendes Wissen und relevante Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert gefördert werden. Dieser Ansatz integriert nicht nur traditionelle Bildungspraktiken, sondern erweitert sie durch Methoden und Technologien, um das Lernen relevanter und nachhaltiger, aber vor allem auch resilienter gegenüber der heutigen Schnelllebigkeit zu gestalten. Indem Lehrkräfte und Lernende zusammenarbeiten, kann eine dynamische Lernumgebung entstehen, die auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen eingeht und ihre Fähigkeit zur Problemlösung, Kreativität und kritischem Denken stärkt.
Doch wie können Schulen und Bildungseinrichtungen diesen Paradigmenwechsel erfolgreich umsetzen? Die Antwort liegt in der kooperativen Professionalität der Lehrkräfte und der Schaffung hybrider Lernumgebungen. Lehrkräfte müssen bereit sein, traditionelle Rollen zu hinterfragen und neue, kollaborative Methoden zu übernehmen, die den Lernprozess nicht nur leiten, sondern auch begleiten und unterstützen. Dies erfordert eine kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung und den Austausch bewährter Praktiken durch innovative Ansätze.
Letztlich erfordert Deeper Learning eine tiefgehende Reflexion und Anpassung der bestehenden Bildungspraktiken, um den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Es fordert nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch die Schüler:innen, ihr Lernen aktiv zu gestalten und Verantwortung für ihren eigenen Bildungsweg zu übernehmen. Können wir als Gesellschaft die notwendigen Schritte unternehmen, um diese transformative Vision der Bildung zu realisieren? Die Antwort auf diese Frage wird bestimmen, wie gut wir unsere Jugend auf die Zukunft vorbereiten.
Dennis Sawatzki
Ansprechpartner Schulentwicklung
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Literatur
- Learning Policy Institute, Deeper Learning, verfügbar unter: https://learningpolicyinstitute.org/product/deeper-learning-summary
- Heidelberg School of Education, Das Deeper Learning Unterrichtsmodell, verfügbar unter: https://hse-heidelberg.de/deeper-learning
- Harvard Graduate School of Education, Teaching for Deeper Learning, verfügbar unter: https://www.gse.harvard.edu/news/uk/19/04/teaching-deeper-learning
- Lehrer-Online, Deeper Learning als pädagogischer Ansatz, verfügbar unter: https://www.lehrer-online.de/deeper-learning
- IQES online, Das 4K-Modell – Kompetenzen in der VUCA-Welt des 21. Jahrhunderts, verfügbar unter: https://www.iqesonline.net/bildung-digital/digitale-schulentwicklung/modelle-zur-digitalisierung-von-schule-und-unterricht/das-4k-modell/
- Bundeszentrale für politische Bildung. Unterrichten nach dem 4K-Modell, verfügbar unter: https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/297360/unterrichten-nach-dem-4k-modell/
- Heidelberg School of Education, Das Deeper Learning Unterrichtsmodell, verfügbar unter: https://hse-heidelberg.de/deeper-learning
- Wikipedia, Deeper learning, verfügbar unter: https://en.wikipedia.org/wiki/Deeper_learning
- Heidelberg School of Education, Das Deeper Learning Unterrichtsmodell, verfügbar unter: https://hse-heidelberg.de/deeper-learning
- Learning Policy Institute, Deeper Learning, verfügbar unter: https://learningpolicyinstitute.org/product/deeper-learning-summary