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Lehrergesundheit, gesunde Schule: Zur Relevanz und Förderung von Lehrergesundheit

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Lehrkräftegesundheit als Schlüssel: Wie gesunde Lehrkräfte eine gesunde Schule gestalten

Gesundheit ist wichtig – nicht zuletzt mit Blick auf unsere alternde Gesellschaft. Die in den letzten Jahrzehnten gestiegene Lebenserwartung ist ein Erfolg und öffnet uns als Individuen, aber auch gesamtgesellschaftlich neue Türen. Mehr Zeit zum Lernen, mehr Zeit für berufliche und private Entwicklung – oder?

Mit einem wachsenden Maß an Möglichkeiten steigen oft auch die Ansprüche, die man an sich selber stellt oder von der Außenwelt gespiegelt bekommt. Gerade in Kombination mit globalisierungs- und technologisierungsbedingten Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt können diese Anforderungen als hohe Belastung wahrgenommen werden. Laut einer Studie der DAK haben sich die Fehltage deutscher Arbeitnehmerinnen und -nehmer aufgrund psychischer Erkrankungen in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdreifacht (DAK Psychoreport 2019: a. a. O.). Der neue Negativrekord im Sitzen – über 9 Stunden pro Werktag – zeigt zudem, dass nicht nur die psychische, sondern auch die physische Gesundheit im Alltag oft an Aufmerksamkeit verliert (DKV-Report 2023: a. a. O.).

Fakt ist: Wir möchten nicht nur länger, sondern auch gesünder leben. In Zusammenhang mit ihrem aktuellen Report verweist die DKV auf die hohe Wichtigkeit nicht nur individueller, sondern auch gesellschaftlicher Maßnahmen. Gezielte Präventionsprogramme sowie gesundheitsförderliche Strukturen in Institutionen und Beruf stellten entscheidende Bausteine für eine gesunde Gesellschaft dar. Hier kommen Schulen ins Spiel – verfügen sie doch in vielerlei Hinsicht über ideale Voraussetzungen, um gesundheitsbewusstes Verhalten in der Gesellschaft zu fördern. Gleichzeitig stehen Schulen ebenso wie andere gesellschaftliche Institutionen im Spannungsfeld unterschiedlicher gesellschaftlicher Anforderungen und Erwartungen – die sich häufig im Schulalltag und im beruflichen Alltag der Lehrkräfte widerspiegeln.

Gerade Letztere sehen sich oftmals in der Verantwortung, den verschiedenen gesellschafts- und bildungspolitischen Ansprüchen, aber auch den Erwartungen von Eltern und Erziehungsberechtigten gerecht zu werden. Hier sind die eigenen Grenzen schnell erreicht – und Unterstützung oft dringend vonnöten. Doch wie verortet sich die Rolle der Lehrkraft im Gesamtsystem einer „gesunden Schule“, und wie kann Schule als Institution dazu beitragen, dass Lehrkräfte gesund bleiben und auch das Gesundheitsverhalten ihrer Schülerinnen und Schüler optimal fördern können?

Gesunde Schule: Die Rolle der gesunden Lehrkraft

Ein ganzheitliches Konzept gesunder Schule berücksichtigt nicht nur die Gesundheit von Schülerinnen und Schülern, sowie auch die der Lehrkräfte. Ein System ist mehr als die Summe seiner Teile – dennoch ist gleichzeitig jeder Teil eines Systems für dessen Zusammenwirken entscheidend. Das Gesundheitswissen und -verhalten der Lehrkraft steht in direktem Zusammenhang zu dem der Schülerinnen und Schüler: Nur wer selbst über genügend Wissen über gesundheitsförderliches Verhalten verfügt, kann dieses auch an andere weitergeben.

Eine Schule, die Salutogenese (= die Erhaltung und Entwicklung von Gesundheit) als Schwerpunktthema definiert, bedarf darum in jedem Fall Angebote für eine gezielte und kontinuierliche Weiterbildung ihrer Lehrkräfte in gesundheitsbezogenen Themenbereichen. Aus systemischer Sicht stellen hierbei sowohl Angebote zur Wahrung und Förderung der eigenen Gesundheit, als auch zur Vermittlung gesundheitsbewussten Handelns an die Schülerinnen und Schüler wichtige Bausteine dar.

Neben dem fachlichen Wissen sind hier vor allem auch Formen der didaktischen Vermittlung entscheidend. Dass Sport gesund ist, wird den meisten Erwachsenen keine Neuigkeit sein – dass dennoch so wenig Menschen in Deutschland regelmäßig Sport treiben, zeigt jedoch, dass Wissen allein nicht ausschlaggebend ist. Erst über das Erleben positiver Effekte sowie die Entwicklung von Gewohnheiten wird gesundheitsförderliches Verhalten nachhaltig etabliert und für Schülerinnen und Schüler ein Grundstein für das Verhalten im Erwachsenenalter gelegt. Eine Lehrkraft, die gesundheitsbewusstes Verhalten selber aktiv (vor-)lebt, kann auch Schülerinnen und Schülern Interesse und Freude an Bewegung oder gesunder Ernährung auf intuitiverem Wege vermitteln.

Gleichzeitig finden sich gerade in diesen Bereichen besonders viele Anknüpfungspunkte, um Wissen auch auf sensorischem Wege erfahrbar werden zu lassen. Wie fühlt sich eine frische Traube im Mund an – und wie eine getrocknete? Schmeckt sie anders? Macht sie satter? Das Beispiel zeigt, dass Erfahrungsräume für gesundheitsbewusstes Verhalten auch ohne großen Aufwand im Unterricht geschaffen werden können. Entscheidend ist hier zunächst der Fokus und das Ziel, die Salutogenese als Kernthema der eigenen Schule zu etablieren und fächerübergreifend in die Unterrichtsgestaltung einzubinden.

 

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Gesund durch den Lehrberuf – wie Lehrkräfte Unterstützung erfahren können

Die Gesundheit von Lehrkräften liegt nicht nur in individueller Verantwortung, sondern ist in besonderer Weise auch an das System Schule, dessen Ausgestaltung und Rahmenbedingungen gebunden. Im Lehrberuf sind es oft gerade psychosoziale Herausforderungen, welche sich beeinträchtigend auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken (Herzog et al. 2021: 20). Die Entwicklung von Strategien zur Bewältigung berufsbedingter Belastungen trägt entscheidend zur Wahrung von Lehrkräftegesundheit bei. Insbesondere zum Erwerb von Stresskompetenz und -resilienz wurden inzwischen speziell für den Lehrberuf verschiedene Methoden entwickelt (vgl. z. B. Milena 2023). Auch hier können und sollten insbesondere Schulen, welche Salutogenese für sich als Schwerpunktthema definiert haben, durch das Angebot entsprechender Weiterbildungen und Schulungen gezielt Unterstützung leisten.


Dass diesbezüglich von Seiten der Lehrkräfte durchaus Interesse besteht, zeigt eine Studie von Burkhardt et al. (2021) zur Nachfrage gesundheitsförderlicher Maßnahmen für Lehrkräfte in Brandenburg. In der Studie gaben 81,3% der im Befragungszeitraum 2017/2018 befragten Lehrkräfte an, in den letzten 24 Monaten gesundheitsförderliche Angebote in Anspruch genommen zu haben (n = 830). Gleichzeitig überstieg für den Großteil der abgefragten Bereiche die Nachfrage das jeweilige Angebot. Lehrkräfte mit dem Bedürfnis nach Weiterbildung im Bereich gesundheitsfördernden Handelns nicht allein zu lassen, sondern gezielt Unterstützung anzubieten, sollte im Konzept „Gesunde Schule“ eine feste Verankerung finden.

Zuständigkeiten definieren, Belastungen reduzieren

Neben individuell anzuwendenden Methoden der Gesundheitsförderung sind jedoch auch systembedingte Faktoren in den Blick zu nehmen. Bildungspolitische Herausforderungen wie insbesondere der vielzitierte Mangel an Lehrkräften führen zu Engpässen und damit zu Belastungen, welche einzelne Schulen nur in geringem Maße abfedern können. Auch die Ausweitung der Ansprüche, welche an Lehrkräfte in zunehmender Weise nicht nur als Bildungsvermittlerinnen und -vermittler, sondern auch Erzieherinnen und Erzieher gestellt werden, sorgen schulübergreifend für eine Erhöhung der Stressbelastung (Daisenberger 2021: 45). Weiterbildungen und Fördermaßnahmen zur Wahrung der eigenen Gesundheit sind wichtig – können aber in einem System, welches individuell gesundheitsbewusstes Verhalten einschränkt, auch nur in begrenztem Maße zu positiven Effekten führen.

Die gesellschaftlichen Erwartungen, welche an Lehrkräfte gestellt werden, können Schulen nicht vollständig abfedern. Leitungskräfte an Schulen haben allerdings durchaus die Möglichkeit, zumindest innerhalb des eigenen Systems klare Aufgabenbereiche zu definieren und den beschäftigten Lehrkräften dadurch Sicherheit in ihrem Tun zu verschaffen. Die Definition von Zuständigkeiten sowie insbesondere auch von Nicht-Zuständigkeiten ermöglicht es Lehrkräften, sich von der diffusen Wahrnehmung einer „Gesamtverantwortung“ abzugrenzen und sich auch im Gespräch mit Eltern und Erziehungsbeauftragen klar und selbstbewusst zu positionieren. Für neue Impulse und Veränderungen offen zu bleiben, und sich gleichzeitig der eigenen Kompetenz bewusst zu sein: Wenn diese Balance gelingt, gewinnen Lehrkräfte eine sichere Basis, auf Grundlage derer sie ihren Unterricht zielorientiert gestalten und auch neue Schwerpunktthemen wie Salutogenese gezielt in den Blick nehmen können.

 

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Den Weg zur gesunden Schule beschreiten: Das eigene Leitbild entwickeln

Gesund zu bleiben, ist kein Ziel, sondern ein Prozess. Gesundheitsförderung in Schulen kann je nach Bedarf unterschiedlich ausfallen und verschiedene Formen annehmen – welche davon geeigneter sind als andere, zeigt sich oft erst auf dem Weg. Ebenso kann auch durch die Veränderung äußerer Rahmenbedingungen immer wieder eine Neuausrichtung einzelner Maßnahmen nötig werden lassen. Entscheidend ist die Grundhaltung: Die Definition von Salutogenese als klares Schwerpunktthema, welches bei der Gestaltung möglichst aller Entscheidungen und Entwicklungen in der jeweiligen Schule berücksichtigt wird.

Damit dies gelingt, ist das Zusammenspiel aller Akteurinnen und Akteure entscheidend. Eine gesunde Schule lebt vom Engagement der Lehrkräfte – dementsprechend sollten diese auch bereits bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Schule aktiv mit einbezogen werden. Eine gemeinsame Leitbildentwicklung unter Einnahme der Systemischen Haltung ermöglicht es, die Interessen aller Beteiligten in den Prozess einzubinden und somit ein nachhaltig wirksames Konzept einer gesunden Schule zu entwickeln.


Bei der Gestaltung dieses Prozesses und der gezielten Berücksichtigung die Bedarfe aller Beteiligten weist eine externe Begleitung entscheidende Mehrwerte auf. In einzelnen Institutionen sind bestimmte Denk- und Handlungsmuster oftmals fest etabliert, ohne dass dies den einzelnen Akteurinnen und Akteuren bewusst ist. Dementsprechend werden auch bestehende Handlungsmöglichkeiten und -potentiale oftmals von den Beteiligten nicht erkannt. Eine professionelle Begleitung von außen hilft dabei, latent wirksame Mechanismen aufzudecken – und gemeinsam neue, zielführende Handlungsorientierungen zu entwickeln.


Das ISH bietet qualifizierte Unterstützung bei der Leitbildentwicklung in und mit Schulen an. Über die gezielte Einnahme der Systemischen Haltung werden Lösungen entwickelt, die auch nachhaltig wirksam sind und Schulen einen sicheren Halt und Grundstein bei der Entwicklung gesundheitsförderlicher Angebote und Strukturen bieten. Mehr Informationen dazu auf unserer Webseite: Leitbildentwicklung für Schulen – ISH.

Für eine individuelle Beratung zu unseren Angeboten stehen wir gerne zur Verfügung. Unser Ziel: Über Bildung Gesellschaft gestalten – und auch den Gestalterinnen und Gestaltern von morgen die bestmögliche Unterstützung mit auf den Weg zu geben.

Literatur
  • - Burkhardt, B., Hoppe-Herfurth, A.-C., John, N. & Bilz, L., 2021: Gesundheitsförderung für Lehrkräfte – Inanspruchnahme von gesundheitsförderlichen Maßnahmen im Setting Schule. Thieme. DOI: 10.1055/a-1386-4252.
  • - Daisenberger, J., 2021: Studium – Referat – und dann Burn-out? Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ausbildungssystem von Lehrkräften. Logos.
  • - DAK Psychoreport 2019. Entwicklung der psychischen Erkrankungen im Job. Langzeitanalyse: 1997 – 2018. https://www.dak.de/dak/download/190725-dak-psychoreport-pdf-2125500.pdf, Stand: 22.03.2024.
  • - DKV-Report 2023. Wie gesund lebt Deutschland? https://www.dkv.com/downloads/Praesentation_DKV_Report_2023_final.pdf, Stand: 22.03.2024.
  • - Herzog, F., A. Sandmeier & B. Affolter, 2021: Gesunde Lehrkräfte an gesunden Schulen. Eine Einführung. W. Kohlhammer.
  • - Milena, A., 2023: Gesund bleiben als Lehrkraft. Mit Stress resilient umgehen. In: Klasse Leiten. Jg. 2023. Friedrich Verlag.