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Systemisches Coaching und Schule: Eine synergetische Verbindung für die Zukunft 

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Zu Potential und Passung von Systemischem Coaching und der Schul- und Bildungspraxis

 
von Marcus Kuhn

Systemisches Coaching hat sich in den letzten Jahren als ein bedeutender Ansatz in der Welt des Coachings etabliert. Die Wurzeln liegen in der Systemtheorie und im Konstruktivismus und bieten eine umfassende Perspektive auf Coaching-Prozesse. Im Kern geht es darum, Individuen, Teams und Organisationen nicht isoliert, sondern als Teil eines größeren Systems zu betrachten. Warum systemisches Coaching und Schule langfristig zusammenfinden sollten, lässt sich nachvollziehbar erläutern.

Systemisches Coaching unterscheidet sich von anderen Coaching-Methoden maßgeblich durch seinen Fokus auf die Wechselwirkungen innerhalb eines Systems. Es stehen nicht allein die Coachees im Fokus, sondern es werden besonders die sie umgebenden Beziehungen und Dynamiken betrachtet.

Ein zentrales Prinzip hierbei ist die Annahme der Selbstorganisation von Systemen. Sie haben die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren und zu verändern. Die Aufgabe des Coachs liegt darin, Prozesse anzustoßen und zu begleiten, nicht aber, direkte Lösungen vorzugeben.

Die Chancen von systemischem Coaching – interne Herausforderungen und externe Wahrnehmungen

Im Kontext der Polykrisen, die uns als Welt, Gesellschaft, Schule und Individuum in einer immer höheren Taktung treffen, ist dies besonders wichtig. Hier liegt in Haltung und Praxis ein bedeutsamer Unterschied zu klassischem Coaching oder Beratungen – das systemische Coaching hat eine Haltung der Demut inhärent, dahingehend, dass die Betroffenen das handlungswirksame Wissen für ihre Problematiken in ihrem System selbst besitzen. Dies kann zwar von außen, in Form eines systemischen Coachings, anmoderiert werden, die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung obliegt aber den Organisationsmitgliedern. In diesem Blickwinkel offenbart sich die Passung zwischen systemischer Haltung und dem System Schule.

Die Organisation Schule weist eine zelluläre Struktur auf, die bewirkt, dass Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf zum Teil isoliert ausführen und während ihrer Haupttätigkeit, dem Unterrichten, selten in Interaktion mit ihren Fachkolleginnen und -kollegen treten. Entsprechend ergibt sich daraus eine interne Intransparenz, die von außen nur schwer einzusehen ist.

Systemisches Coaching, das das Verstehen und Durchdringen der Problematiken von außen als offenen Prozess angeht und sich nicht anmaßt, die Lösung zu kennen, kann hier methodisch punkten. Wer schon einmal eine Fortbildung an einer Schule gegeben oder besucht hat, weiß um die Problematiken von interner Realität und externer Wahrnehmung im Kontext von Beratung und Fortbildung. Die Demut in der Haltung bezogen auf Wahrheit und Lösung können hier die Kooperationsbereitschaft der Beteiligten und somit die Erfolgschancen der angestrebten Prozesse erhöhen.

 

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Konstruktivismus und die Herausforderungen der Diversität im Klassenzimmer

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des systemischen Coachings ist der Konstruktivismus. Unsere Wahrnehmung der Realität ist immer subjektiv geprägt durch unsere Erfahrungen, Werte und Überzeugungen. Diese Einsicht führt zu einer Haltung der Neugier und Offenheit im Coaching-Prozess. Anstatt von einer objektiven „Wahrheit“ auszugehen, werden gemeinsam mit dem Coachee dessen individuelle „Landkarten“ der Wirklichkeit erkundet.

Schulen stehen zunehmend vor der Herausforderung, dass die Schüler:innen in Lebenswelten aufwachsen, die eine so große Heterogenität und Diversität aufweisen, dass es nicht möglich erscheint, diese von außen flächendeckend zu durchdringen. Um Unterricht und Lernen erfolgreich zu gestalten, bedarf es neben Lernstandsanalysen auch immer eine Verortung der Heranwachsenden in ihren Agenda Settings, ein Wissen um ihre “Push & Pull”-Faktoren, ihre Motivationen und Herausforderungen.

Hier kann aus systemischer Haltung ein Verhalten entstehen, das diese vielfältigen Realitäten berücksichtigt und dem Eigenanspruch der meisten Lehrkräfte, nämlich ihre Schülerinnen und Schüler so gut wie möglich abzuholen und zu begleiten, gerecht wird. Verinnerlichen wir eine konstruktivistische Haltung, so verabschieden wir uns von dem Anspruch, über die Schüler:innen „Bescheid zu wissen“. Dies schlägt sich am Ende im Umgang, in Bewertung, in Beziehung etc. wieder. Es geht nicht darum, den Anspruch der Lehrkraft auf fachliches Wissen und Wahrheit anzugehen, sondern darum, die individuellen Lebensrealitäten und entsprechenden Wahrheitskonstruktionen zu respektieren und in der Gestaltung der Lernsituation zu beachten.

Ressourcenorientierung und Lösungsfokussierung im schulischen Kontext

Weitere Säulen des systemischen Coachings sind Ressourcenorientierung und Lösungsfokussierung. Die Überzeugung, dass alle notwendigen Ressourcen für Veränderung und Entwicklung bereits im Coachee oder dem System angelegt und vorhanden sind, prägt den Coaching-Prozess. Die Aufgabe des Coaches ist es, diese Ressourcen sichtbar zu machen und zu aktivieren. Indem der Blick auf bereits vorhandene Stärken und Erfolge gelenkt wird, wird der Coachee ermutigt, auf diesen aufzubauen und sie für die Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen zu nutzen.

Nichts anderes sollte auch Selbstanspruch der Schule sein. Es gibt zwar seit langem die Diskussion, ob man nicht besser Stärken stärken und Schwächen in Ruhe lassen sollte, aber an dieser Stelle geht es vielmehr um ein “Growth Mindset”. Die Idee der Lehrkraft als Coach hat auch wegen dieser Perspektive seit Jahren Konjunktur. Schule hat zwar neben Bildung und Erziehung auch die Selektion als Kernaufgabe. Doch Schüler:innen ihre eigenen Ressourcen für Veränderung und Entwicklung sicht- und erlebbar zu machen, klingt vielversprechend – haben doch viele Konflikte im Klassensetting verschiedene Zwangssituationen zur Ursache.

Seit einigen Jahren wird zunehmend, und erst recht im Kontext von künstlicher Intelligenz, über alternative Prüfungsformen diskutiert. Ein zentraler Diskussionspunkt ist dabei die Vergleichbarkeit von prüfbarem Wissen und Fähigkeiten und die Frage, ob die individuelle Entwicklung hierbei zu wenig beachtet wird. Diese Gedanken passen zeitlich gut in unsere Gesellschaft, die sich zurzeit aus dem industriellen Zeitalter mit seiner Standardisierung verabschiedet und sich hin in eine kulturelle Gesellschaft bewegt, wo die einzelne Person mit ihren Fähigkeiten im Mittelpunkt steht – und nicht die Standardisierung, sondern eben die Differenzierung den eigenen Marktwert bestimmt. Wenn nicht eine gezielte Ressourcenorientierung diesen Prozess begleiten kann, was dann?

Und wer weiß, vielleicht kann eine systemische Haltung entscheidend bei dem Übergang dazu sein, die Leistung der Lernenden nicht mehr zu benoten, sondern zu betonen.

 

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Systemisches Coaching und die Zukunft der Bildung

Wer das Systemische Coaching tiefer verstehen und dessen ganzheitliche Perspektive in seinen Berufsalltag integrieren möchte, dem oder der steht mit unserem Institut ein erfahrener
Ansprechpartner zur Seite. Die jahrelange Expertise unserer Trainerinnen und Trainer ermöglicht eine umfassende und anwendungsbezogene Vermittlung der Grundannahmen und Methoden, welche das Systemische Coaching auszeichnen. Als Institut für Schulentwicklung und Hochschuldidaktik nimmt dabei der Bezug zu den spezifischen Denk- und Wirkungslogiken im Schul- und Bildungssystem stets zentralen Stellenwert ein. Ob zur bedarfsorientierten Gestaltung einzelner Unterrrichtsstunden oder der nachhaltigen Entwicklung und Implementierung eines schulischen Leitbildes: Wir unterstützen Schulen, Lehrkräfte und andere Bildungstäterinnen und -täter dabei, über die systemische Haltung  innovative und ganzheitliche Lösungskonzepte zu entwickeln.

Jetzt unverbindlich mit uns in Kontakt aufnehmen: Kontakt: ISH Gruppe oder mehr über unser Konzept und unsere Angebote erfahren:

Fortbildungsangebote des ISH für Lehr- und Leitungskräfte

Quali-C: Ihre Weiterbildung im Systemischen Coaching

Die Auseinandersetzung mit dem Systemischen Coaching eröffnet neue Perspektiven und ermöglicht es, Veränderungsprozesse auf eine nachhaltige und ressourcenorientierte Weise zu begleiten. Schulen, die nach diesen Grundsätzen funktionieren, und Lehrkräfte, die nach diesen Ideen lehren…

Es ist noch ein langer, aber ein machbarer, und vor allem ein unausweichlicher Weg. Denn in Zeiten, wo unsere Gesellschaft und Schule immer digitaler wird, müssen wir immer menschlicher werden.

Literatur
  • - Kutz, Angelika (2020): Systemische Haltung in Beratung und Coaching. Wie lösungsorientierte Arbeit gelingt. Springer
  • - Fussangel, Kathrin (2008): Subjektive Theorien von Lehrkräften zur Kooperation. Eine Analyse der Zusammenarbeit von Lehrerinnen und Lehrern in Lerngemeinschaften. Dissertation Universität Wuppertal.
  • - Bamberger, Günther (2015) Leistungsorientierte Beratung. Beltz Weinheim, Basel.
  • - Peron, Junin (2022): Systemische Bildung. Wie wir unsere Schule retten.
  • - Radatz, Sonja (2010): Einführung in das systemische Coaching. Carl Auer Verlag. München