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Systemisches Coaching in der Beratungspraxis: Komplexität reduzieren, Verständnis gewinnen

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Systemisches Coaching in der Beratungspraxis: Komplexität reduzieren, Verständnis gewinnen

Die systemische Haltung nimmt in Beratungen und Coachings einen wachsenden Stellenwert ein. In einer komplexer werdenden Welt ermöglicht sie es, Wirkmechanismen aufzudecken und auch eigene Denk- und Handlungsmuster zu hinterfragen. Doch was umschreibt das Konzept der systemischen Haltung genau, und welche besonderen Chancen und Potentiale sind es, die das systemische Coaching in unterschiedlichen Beratungssituationen immer attraktiver werden lassen?

Ihren Ursprung hat die systemische Haltung im therapeutischen Bereich. Nachdem bis Mitte des 20. Jahrhunderts hauptsächlich Einzeltherapien durchgeführt wurden, bezogen ab Ende der 1950er Jahre immer mehr Praktizierende auch die familiären Strukturen ihrer Patientinnen und Patienten mit ein. Über die daraus entstehende Familientherapie wurde der Mehrwert einer Berücksichtigung von Kontextfaktoren deutlich: Verhaltensweisen, die zunächst widersinnig schienen, konnten im Gesamtzusammenhang nachvollzogen werden. Ab den 1970er Jahren hielt systemisches Denken dann auch in Erziehungsberatung und Jugendhilfe Einzug (Systemische Gesellschaft: a. a. O.).

Was bedeutet „systemisch“?

Wie die systemische Beraterin Angelika Kunz betont: Die systemische Haltung ist zuallererst eine humanistische Haltung. Eine Haltung der Achtsamkeit, der Aufmerksamkeit gegenüber dem Menschen im Ganzen sowie den Zusammenhängen, in die er eingebunden ist. Mit der Idee der systemischen Haltung wird das Ziel verfolgt, auch scheinbar kleinen Emotionen, Aussagen und Denkmustern Aufmerksamkeit zu schenken und diese im Gesamtzusammenhang zu verorten und nachzuvollziehen. Neben dem Verständnis steht hier vor allem der Respekt gegenüber den Lebens- und Wertvorstellungen der anderen Person im Mittelpunkt (Kunz 2020: 1).

Und das nicht umsonst, ist Respekt doch ein Schlüssel dafür, die andere Person wirklich und umfassend verstehen zu können. Oft ist es gerade das vorschnelle Urteilen, das Anlegen eigener Denk- und Wertorientierungen an das Verhalten unseres Gegenübers, das unseren Blick trübt. Die Übernahme einer systemischen Haltung bedeutet somit auch, die eigenen Vorstellungen und Wertkategorien zu hinterfragen und vielleicht nicht für sich selbst, aber zumindest in ihrer Allgemeingültigkeit auf den Prüfstand zu stellen. Gibt es tatsächlich nur diese eine Möglichkeit, auf einen bestimmten Sachverhalt zu schauen? Oder wären – mit anderen Vorerfahrungen, Neigungen und Bedürfnissen – auch andere Herangehensweisen oder Perspektiven möglich?

 

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Systemisches Coaching – der Weg der systemischen Haltung in die Beratungspraxis

Obwohl der Ursprung der systemischen Haltung in der Therapie zu finden ist, stellt sie auch in nicht-therapeutischen Beratungs- und Coachingsituationen eine wertvolle Herangehensweise dar. Bei Beratungssettings innerhalb komplexer Organisationen, zu denen auch Schulen zählen, kann die systemische Haltung neue Perspektiven eröffnen. Im Schulleitungscoaching etwa können (werdende) Leitungskräfte für schulinterne Wirkzusammenhänge, aber auch die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Stakeholder sensibilisiert werden.

Die Art und Weise, auf ein System zu blicken, kann dabei je nach gewähltem Ansatz sehr unterschiedlich ausfallen. So kann etwa ein problem- oder ein lösungszentrierter Ansatz gewählt werden: Schaue ich primär auf vorhandene Defizite und ‚Störfaktoren‘ im System, oder konzentriere ich mich darauf, vorhandene Ressourcen und Lösungsansätze aufzudecken? Ein Richtig oder Falsch ist hier im allgemeinen Sinn kaum zu definieren – zu verschieden fallen die jeweiligen Situationen aus, in denen das systemische Coaching eingesetzt werden kann und wird.

Ein fruchtbarer Ansatz kann es sein, diejenige Perspektive zu wählen, welche im jeweiligen Bereich, in dem das Coaching durchgeführt wird, üblicherweise weniger Berücksichtigung findet. Gerade in helfenden Berufen und im Bildungsbereich, aber auch in der Wirtschaft wird oft ein verstärkter Fokus auf Probleme und Hindernisse deutlich (Lindemann 69). Mit den Beteiligten einmal bewusst die ‚gegenteilige‘ Perspektive einzunehmen, ihren Blick zu öffnen und auch vorhandene Ressourcen und Potentiale identifizierbar werden zu lassen – hier bietet das systemische Coaching enormes Potential.

Wie integriere ich die systemische Haltung in meine Beratungspraxis?

Die systemische Haltung ist nichts, was einmal ‚erlernt‘ und damit abgehakt wird. Wie der Begriff Haltung bereits verrät, handelt es sich um eine grundlegende Einstellung gegenüber der Welt, den Klientinnen und Klienten und ihren Sichtweisen und Lebenswelten. Im Vergleich zu einer einzelnen Coachingmethode, ist eine Haltung etwas Tiefergehendes, etwas Inneres, das dementsprechend einer besonders kontinuierlichen Pflege und Übung bedarf. Nachdem die grundlegenden Elemente der systemischen Haltung verstanden wurden, hilft vor allem die wiederholte Reflexion von Beratungssituationen dabei, die systemische Haltung immer mehr zu verinnerlichen. Nicht zuletzt ist die Übernahme der systemischen Haltung daher nicht nur eine berufliche, sondern auch eine persönliche Entwicklung – was den Ansatz gleichzeitig so nachhaltig macht.

Um die Grundlagen des Systemischen Coachings zu erlernen, bietet sich eine Fort- oder Weiterbildung an. Natürlich gibt es inzwischen auch eine Bandbreite an Literatur zu dem Thema, welche eine gute Basis für einen ersten Einblick in das Thema bietet. Allerdings lebt die systemische Haltung schlussendlich nicht von der Theorie, sondern der Praxis – und diese kann im Gruppenkontext besonders gut vermittelt werden. Zusammen mit anderen Interessentinnen und Interessenten können im Zuge einer Fort- oder Weiterbildung die verschiedenen Übungen direkt angewandt und gemeinsam reflektiert werden.

Der gemeinsame Austausch ist zudem auch deswegen wichtig, weil bei der Übernahme der systemischen Haltung das Infragestellen der allgemeinen Gültigkeit eigener Wertvorstellungen und Denkmuster eine entscheidende Rolle spielt. Die direkte ‚Konfrontation‘ mit anderen Perspektiven kann hier wertvollere Anstöße bieten, als jede Theorie es vermag. Nicht zuletzt bietet sich über die Teilnahme an einer Fort- oder Weiterbildung die Gelegenheit, Kontakte zu anderen Personen zu knüpfen, die ihre eigenen Kompetenzen im systemischen Coaching aktiv erweitern und vertiefen möchten. Werden diese Kontakte aufrechterhalten, entsteht ein Netzwerk, über das auch nach Abschluss der Fortbildung immer wieder zurückgegriffen und Impulse und Ratschläge für die eigene Coaching- und Beratungspraxis eingeholt werden können.

 

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Den Weg ins Systemische Coaching finden: Mit der Quali-C Weiterbildung des ISH

In der Beratungs- und Fortbildungspraxis des ISH nimmt die systemische Haltung seit Beginn zentralen Stellenwert ein. Schulen, Hochschulen und Teams werden als Einheiten verstanden, welche vor allem durch die wechselseitigen Beziehungen ihrer Mitglieder geprägt sind. Um Strukturen und Prozesse nachhaltig zu verändern, wird ein besonderer Wert darauf gelegt, die Perspektiven und Wahrnehmungen aller Beteiligten mit aufzunehmen und systematisch in die Entwicklung von Lösungsstrategien mit einzubeziehen.

Die umfangreichen Erfahrungen, die das ISH in den letzten Jahren sowohl durch eigene Beratungen, als auch durch den Austausch mit Netzwerkpartnerinnen und -partnern gewinnen konnte, möchten wir gern auch nach außen hin weitergeben. Unser Ziel ist es, der systemischen Haltung immer mehr Raum gerade in bildungsbezogenen Beratungs- und Coachingszenarien zu bieten, um an der nachhaltigen und zukunftsweisenden Transformation unseres Bildungssystems mitzuwirken.

Neue Ideen erfordern zunächst neue Sichtweisen – mit unserer grundständigen Weiterbildung im Systemischen Coaching (Quali-C) möchten wir hierzu unseren Beitrag leisten. Die Weiterbildung qualifiziert Trainerinnen und Trainer, Coaches, Beraterinnen und Berater aller Bereiche dazu, in Organisationen, Institutionen und Kleingruppen Veränderungen aus der systemischen Haltung heraus anzustoßen. Im Kontext der Weiterbildung werden allgemeine Grundlagen vermittelt, aber auch auf die spezifischen Herausforderungen in der beruflichen Praxis der Teilnehmenden eingegangen. Im bereichsübergreifenden Austausch ergeben sich dadurch spannende Querverbindungen und neue Perspektiven. Neben dem Präsenzformat wird auch der gewinnbringende Einsatz des systemischen Coachings in virtuellen und hybriden Settings thematisiert.

Möchten auch Sie Ihr eigenes Coaching-Profil weiterentwickeln und um eine systemische, ganzheitliche Herangehensweise ergänzen? Alle Informationen zu unserer Weiterbildung im Systemischen Coaching finden Sie hier: Quali-C: Weiterbildung Systemisches Coaching 

Die Systemische Haltung prägt auch die Fort- und Weiterbildungen, welche wir für Lehrkräfte, Leitungskräfte und Beschäftigte im Schul- und Bildungsbereich anbieten. Ob digitaler Stress, Salutogenese oder agile Methoden im Unterricht: Mit unseren erfahrenen Trainerinnen und Trainern können Bildungstäterinnen und -täter verschiedener Bereiche ihre inhaltlichen und didaktischen Kompetenzen ausbauen. Unsere Website bietet Ihnen die Möglichkeit, sich umfassend über unseren Angeboten zu informieren: zur ISH-Website.

Sie finden hier in regelmäßigen Abständen auch Informationen über unsere Info-Abende, bei denen wir Einblicke in unsere Weiterbildung zum Systemischen Coach bieten und Fragen zum Angebot beantworten. Gerne können Sie natürlich auch abseits der Info-Abende Kontakt mit uns aufnehmen und Ihre Fragen an uns stellen. Wir freuen uns auf den Austausch – und darauf, mit Ihnen gemeinsam die Coaching- und Beratungswelt um neue Herangehensweisen und Perspektiven zu erweitern!

 
 
Literatur
  • - Kutz, A., 2020: Systemische Haltung in Beratung und Coaching. Wie lösungs- und ressourcenorientierte Arbeit gelingt. Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29686-5_1
  • - Lindemann, H., 2022: Systemisch-lösungsorientierte Gesprächsführung in Beratung, Coaching, Supervision und Therapie: Ein Lehr-, Lern- und Arbeitsbuch für Ausbildung und Praxis. 3. Ausgabe. Vandenhoeck & Ruprecht.
  • - https://systemische-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2021/10/SG_Systemischer-Ansatz-und-seine-Praxisfelder.pdf (Stand: 01.03.2024)